Samstag, 24. November 2007

Die Pyramide

..."Was ist eigentlich passiert?" flüsterte er leise vor sich hin. Er war mit Arda, einem Freund aus Kindertagen, unterwegs gewesen. Nicht in ihrem Kaff, sondern in der "Pyramide", einer Ansammlung von Ausgehmöglichkeiten in einem Randbezirk der 70km entfernten Großstadt. Der Stadtteil, in dem die Clique immer feiern ging, war ziemlich heruntergekommen, und unter Umständen konnte es dort zu später Stunde ziemlich gefährlich werden. Wegen den billigen Mieten und Grundstücken waren Anfang der 90er Jahre, als das Viertel zu zerfallen schien, einige Bars, Clubs und Discotheken aus dem Boden geschossen, und in relativ kurzer Zeit hatte sich die Gegend zu einem absoluten Szenetipp entwickelt. Zu Beginn verkehrte dort die gewöhnliche Mittelschicht und förderte eine eher seriöse Ausgehkultur. Gemäßigter Alkoholkonsum, kaum Schlägereien, so gut wie keine Drogen. Ein kleines Amüsierparadies, eingepfercht zwischen häßlichen, zerfallen Wohnblocks, in denen gesellschaftliche Randgruppen ihre eigenen Gesetze aufstellten. Die "Partymeile" wurde auch außerhalb der Stadtgrenzen bekannt und selbst die unvermeidlichen Snobs fanden ihren Gefallen an den Partys dort. So wurde schließlich die gewöhnliche Masse aus den Kneipen und Discos verdrängt und die champagnersaufende, maßlose und äußerst junge Oberschicht veränderte das Klima in der Pyramide. Die Bezeichnung lag viel weniger am Äußeren, als an einem Satz, den ein intellektuell angesehener Journalist bereits bei der Entstehung der dortigen Clubszene, in einer angesehenen Tageszeitung fallen ließ. "Diese Pyramide dient nicht wie im alten Ägypten als Begräbnisstätte der Pharaonen sondern beerdigt letztendlich eine, inzwischen nicht mehr zu rettende, vulgär dekadente Gesellschaft".

Schließlich häuften sich Zwischenfälle, die der Pyramide ganz und gar schlecht zu Gesicht standen. Ein Besitzer eines beliebten Goa-Clubs, die Drogen hatten mittlerweile dank der Mischung aus Snobs und Unterschicht Einzug gehalten, erstach im Acid Rausch zwei seiner Gäste. Allzu aufreizend teuer angezogene Neureiche die mit besitzergreifender Überheblichkeit zu später Stunde Richtung U-Bahn marschierten, wurden desöfteren überfallen und erlitten teilweise nicht unerhebliche Verletzungen. Der Niedergang fand zu Beginn des neuen Jahrtausends statt und seit einigen Jahren dümpelte die einst so blühende Partylandschaft traurig vor sich hin, zog aber immer noch genügend Ausgehwütige an, um den meisten Gaststätten das Überleben zu sichern. Der Glanz alter Tage jedoch, war vorbei.

Für Magic, wie er schon seit Ewigkeiten von seinen Freunden wegen seiner basketballerischen Fähigkeiten genannt wurde, Arda und die ganze Clique war die Pyramide jedoch der perfekte Ort, unbeobachtet von ihrem Heimatstädtchen, zügellose Partys zu erleben und den Alltag zu vergessen. Das von starken Drogen geprägte Umfeld der Clique war Garant für einige einschneidende Erlebnisse, doch was Arda und Magic dieser Tage passiert war, übertraf bisher alles da gewesene, so war sich Magic zumindest sicher.
Er lag immer noch in tatenloser Apathie auf seinem Bett, und versuchte die letzten 60 Stunden in die richtige Reihenfolge zu bringen...

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